Lang war mir die Wuchsform des hiesigen Kirschbaumes ein Dorn im Auge. Ein richtiger Baum war dieses Gewächs in meinen Augen noch nie, eher ein Störfaktor inmitten der Wiese. Für meinen Geschmack viel zu klein, gedrungen und bodennah. Das Mähen der umliegenden Wiesen forderte regelmäßig seine Opfer in Form von Kirschen oder Laub. Daran musste dringend etwas geändert werden. Bis ins alte Holz hinein wurde der Baum in seinen 6 Jahren noch nie beschnitten. Lediglich die Triebe der drei Hauptäste wurden bereits einmal zaghaft gekappt, was eine rege Verzweigung und angedeutete Kronenbildung begünstigte. Stets hoffte ich, dass der dünne Ast auf der linken Seite noch an Volumen zunimmt und dem Baum zu einer symmetrischeren Form verhilft. Aber da sich dort selbst nach Jahren nichts tat, begrub ich diese Hoffnung und entschied mich unlängst zu einer radikaleren Methode: dem Rückschnitt.
Lange Zeit blieb diese Idee rein theoretischer Natur. Fragen und Grübelei ob dieses gravierenden Eingriffs durchfluteten meine Gedanken. Würde ich diesen Schritt bereuen? Schließlich habe ich keinerlei Erfahrungen mit dem Schnitt von Obstbäumen und habe bei der Wahl der zu schneidenden Äste lediglich optische und praktische Aspekte zugrunde gelegt. Doch in seiner ursprünglichen Form gefiel mir der Baum längst nicht mehr. Was kann ein Verschnitt schon anrichten? Weniger Ertrag im nächsten Jahr? Nehme ich in Kauf. Die Kirschen dienen eh nur als Vogelfutter, der Schnitt der Optik. Sollte diese nun komplett leiden, kann ich im nächsten Jahr immer noch korrigieren. Dann allerdings mit mehr Vorbereitung und Fachwissen zum Thema Obstbaumschnitt. Die Krone rennt schließlich nicht Weg und ausdünnen lässt sie sich auch noch im nächsten Jahr.
Nach sorgfältiger Bedenkzeit entschloss ich mich heute nun, die längst geplanten Schritte in die Tat umzusetzen. Ansich brannte es mir schon in den Fingern, die am Wochenende erworbene Wundverschlusspaste endlich anzuwenden! Wenn schon Äste absägen, dann auch bitte richtig behandeln. Man selbst will ja nach einer OP auch gern fachgerecht zugenäht und verbunden werden. Selbe Bedürfnisse hat nunmal auch eine Pflanze, denn Wunde ist Wunde. Egal ob Fleischwunde bei Mensch und Tier oder Schnittwunde an Baum und Strauch. Über offene Wunden gelangen Keime in den Organismus und Blut tritt aus. Und auch ein Baum kann regelrecht (ver)bluten und sich Infektionen einfangen, wenn (größere) Wunden nicht behandelt werden. Der eine Baum blutet mehr, der andere weniger. Ich habe immer noch meine Birke im Hinterkopf, die selbst über kleinste Schnittwunden relativ große Mengen an Saft verliert. Ähnliches erwartete ich auch beim Kirschbaum, als ich die Klappsäge ansetzte. Doch die Wunden blieben angenehm trocken. Wundverschlusspaste drauf, fertig.
Ob ich mit dem Ergebnis zufrieden bin, kann ich noch nicht sagen. Wirklich symmetrisch ist der Baum ja schließlich noch immer nicht. Sicherlich wird noch einiges runter müssen und nach innen wachsende Zweige werden ausgedünnt. Doch eh ich mich diesbezüglich festlege, wird der Baum erst wieder Blätter tragen müssen. Von der Ernte bis zum Spätherbst bietet sich der Schnitt an. Die Bedenkzeit ist also ausreichend lang.
Das mit dem Wundverschluss hätte bei unserem Kirschbaum vor Jahren geschehen müssen. Stattdessen blutete er Tag für Tag vor sich hin. Dann haben wir uns entschieden, ihm doch mal etwas gutes zu tun und er dankte es direkt im darauf folgenden Sommer.
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Ich finde, er sieht super aus. Sehr kräftig und irgendwie überzeugend! Gratulation!
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Das liegt im Auge des Betrachters find ich, aber ja.. kräftig ist er durchaus. Vielleicht lasse ich ihn auch so.. wer weiß, wie ich mich entscheiden werde. Danke vielmals!
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