parasitärer Wunderstrauch: die Mistel

Wer momentan mit offenen Augen durch die Natur geht, wird vielerorts buschartige Gebilde auf den Bäumen sitzen sehen, die auf den ersten Blick verlassene Vogelnester zu sein scheinen. Bei genauerem Hinsehen heben sich die Gebilde jedoch durch ihr graugrünes Laub und den weißen Beeren deutlich vom momentan vorherrschenden Braun/Grau der Natur ab. Die Mistel ist allgegenwärtig, doch ist es eben diese Omnipräsenz und die Ähnlichkeit zu Vogelnestern, die ihr in freier Natur kaum Beachtung zukommen lässt.

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Dennoch ist die Mistel metaphorisch in den meisten Köpfen verankert; Der berühmte Kuss unter dem Mistelzweig, ist das wohl bekannteste Beispiel, das dieser Pflanze eine gewisse gesellschaftliche Präsenz – besonders zur Weihnachtszeit – beschert.

Viscum album, wie die weißbeerige Mistel botanisch heißt, ist sicherlich eines der faszinierendsten heimischen Gehölze. Durch ihren halbparasitären Wuchs, nimmt sie eine Sonderstellung in der heimischen Flora ein.  Die Besonderheit: Misteln gedeihen ausschließlich auf einer Wirtspflanze und wurzeln nicht in Erde. Die Verbreitung der äußerst klebrigen Samen geschieht durch Vögel, die die Samen zu anderen Wirtspflanzen transportieren. Hier beginnt ein Prozess, der seines Gleichen sucht: Die Samen haften an der Borke der Wirtspflanze an und schieben bei der Keimung eine Saugwurzel in die Borke.

Während im ersten Vegetationsjahr sichtbar nicht viel geschieht, bildet sich unterhalb der Borke eine Haftplatte, die der Pflanze später den benötigten Halt gibt. Diese Haftplatte wird im Laufe der Zeit vom Kambium der Wirtspflanze umwuchert und hat somit die Möglichkeit, die Leitbündel anzuzapfen.

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Da die Mistel jedoch autark Photosynthese betreibt, entzieht sie der Wirtspflanze keine Assimilate, sondern lediglich Wasser. Dies macht die parasitär erscheinende Pflanze zu einem Halbparasiten, der den Wirt für gewöhnlich nicht nennenswert schwächt. Durch erhöhte Transpiration gelingt es der Mispel, den Wasserfluss innerhalb der Leitbündel des Wirtes ständig aufrecht zu erhalten. Bei moderatem Befall hat dies keine Auswirkungen auf die Wirtspflanze, jedoch zerrt übermäßiger Befall zu Frostzeiten an der Gesundheit des Wirtes. Je nach Verfassung des Wirtes können 5-10 Mispeln, oder eine Mispel pro Ast, als harmlos gelten.

Jedoch sind bereits schwächelnde Bäume öfter betroffen. Somit ist die Mispel meist nicht Ursache der schlechten Kondition, sondern ein Indiz, das auf die schlechte Verfassung des Wirtes hinweist.

Während die Anwesenheit der Pflanze früher in vielerlei Hinsicht geschätzt wurde, geht der Grundtenor mittlerweile in die Richtung, dass Bäume von Mistelbefall befreit werden müssen. Besonders bei Stadtbäumen, die eh in schlechter Verfassung sind, kann das Absterben kranker Äste, die durch Misteln weiter geschwächt werden, zu Schäden – nicht nur am Baum – führen, die natürlich jedes Grünflächenamt präventiv vermeiden möchte.

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Die Mistel gehört sicherlich zu den aufsehenerregendsten Vertretern der Botanik. Neben ihrem Habitus, sind es ihre Heilkräfte, die diese Pflanze zu etwas Besonderem machen. Schon im Altertum wurden ihre Kräfte als vielseitige Heilpflanze geschätzt. Heute werden ihre Wirkstoffe blutdrucksenkend und begleitend zu Krebstherapien eingesetzt. Trotz ihrer vielseitigen Fähigkeiten ist beim Umgang mit Misteln jedoch Vorsicht geboten, da die Pflanze grundsätzlich als schwachgiftig bis giftig einzuschätzen ist. Ihre Giftigkeit variiert in Abhängigkeit des Wirtes. So ist die Mistel auf Ahorn, Linde und Robinie giftiger, als auf Obstgehölzen.

Wer Interesse an dieser faszinierenden Pflanze hat, ist in den Wintermonaten bestens bedient. Durch die Kahlen Bäume lassen sich Misteln leicht ausfindig machen. Zwar ist die Verwechslungsgefahr mit Vogelnestern auf Distanz relativ hoch, doch zeigen sich bei genauerem Hinsehen grünes Laub und weiße Beeren an der weit vertreiteten weißbeerigen Mistel.

Die in dem Artikel gezeigten Misteln fand ich am 10. Januar 2016 in Duisburg-Rahm, an der Stadtgrenze zu Düsseldorf. In diesem Gebiet waren zu dem Zeitpunkt etliche Bäume befallen und zeigten einen prächtigen Mistelbewuchs.

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