Ich bin immer wieder überrascht, wie wenige Handgriffe manchmal ausreichend sein können, um aus einer unscheinbaren Pflanze eine kleine Augenweide zu schaffen. Insbesondere, wenn die Grundform der Pflanze eh schon einem Baum ähnelt, lässt sich binnen weniger Minuten aus einem kleinen Strauch mit wenigen Schritten ein kleiner Bonsai gestalten.
Zuallererst weg mit dem Plastiktopf, denn ein ansprechenderes Gefäß wirkt Wunder. Hier und da noch ein paar Blätter abzupfen, dem ganzen eine verwegenere Form geben. Und wenn man eh schon beim umtopfen ist, kann man direkt noch den Stand der Pflanze ein wenig korrigieren und den Wurzelansatz freilegen, was eine optische Verlängerung des Stammes zur Folge hat. Je nach Wuchsform kann ein leicht schräger Stand durchaus ansprechend sein und als weiteres Stilelement dienen, um einen Bonsai zu erschaffen.
Im konkreten Beispiel handelt es sich um einen Zitronensteckling, welchen ich im Sommer 2010 bewurzelte.
Die Pflanze wuchs vor sich hin, ohne dass ich ihr große Beachtung schenkte. Hier und da ein eher suboptimaler Schnittversuch und sie geriet abermals in Vergessenheit, während sie in der hintersten Terrassenecke dahinschlummerte. Erst heute fiel mir auf, dass die Erde bereits sehr ausgewaschen war. Ein Grund, das Substrat aufzufüllen. Die Neugier erwuchs mit dem Freilegen der Wurzeln, denn ein recht dicker Wurzelansatz offenbarte sich mir an der Schnittstelle des ehemaligen Stecklinges. Die Schnittstelle und Bewurzelung interessierte mich zu sehr, als dass ich keinen Blick drauf riskieren wollte. Das Umtopfen war nun eh unumgänglich, also spülte den Wurzelballen komplett frei und entknotete das Wurzelgewirr. Immer wieder erstaunlich, wie sehr sich ein Steckling binnen weniger Zeit so drastisch verändern kann. Im Vergleich zu den beiden Vorjahren war die Pflanze schon vorm Umtopfen nicht wieder zu erkennen. In der Garage fand sich nach kurzem Suchen auch noch das passende Gefäß. Als Substrat verwendete ich die, bei Zitruspflanzen, bewährte Mischung aus je einem Teil Sand, Blähton und Blumenerde.
Natürlich ist das Wort Bonsai in diesem Kontext inkorrekt. Ein Bonsai folgt einer philosophischen Richtlinie, in der das Zusammenspiel von Pflanzen, formgebender Gestaltung, Schale und Standort in der Schale klar definiert ist. Um einen echten Bonsai zu schaffen, vergehen Jahre der Geduld, verbunden mit dem Einsatz von Erfahrungen und Techniken, die man nicht aus dem Stegreif erlangt. Mein Beispiel ist natürlich nicht mit einem solchen Bonsai zu vergleichen. Ich will mir auch nicht anmaßen, hier einen echten Bonsai gestaltet zu haben. Dazu ist weitaus mehr nötig!
Doch betrachtet man das Thema pragmatischer und lässt all die philosophischen Ansätze der Bonsaigestaltung außen vor, ist es durchaus legitim von einer bonsaiähnlichen Pflanze zu reden, zumal die allgemein bekannten Grundeigenschaften („kleiner Baum in Schale“) zutreffend sind. Eben ein rudimentärer Bonsai, oder Instantbonsai, wie ich es nenne.