von der Kreuzung bis zum Verkauf – die Entstehung einer neuen Sorte

Pflanzen sind omnipräsent; Wir erhalten sie mittlerweile nicht nur in Gärtnereien, Gartenfachmärkten und Blumenläden, sondern auch im Supermarkt nebenan, oder im Baumarkt. Die Pflanzenindustrie ist ein nicht zu unterschätzender, hochkomplexer Wirtschaftsfaktor. Ständig geraten neue Sorten in den Handel, die das Herz des Pflanzenfreundes Jahr für Jahr aufs Neue erfreuen. Doch was man als Endkunde nicht erfährt: eh eine neue Sorte verkaufsfähig ist, vergehen Jahre.

Die Pflanzenzucht ist ein komplexer Prozess. Mit der romantisierten Darstellung des Hobbygärtners, der seine Samen im Frühjahr in die Erde drückt und im Sommer blühende Rabatten genießt, hat der Erwerbspflanzenbau herzlich wenig gemeinsam.

Die Stationen der Sortenentwicklung von der Kreuzung bis zur verkaufsreifen Pflanze im Überblick:

Züchtung – Kreuzung und Selektion: 4 bis 5 Jahre

Pflanzenzüchter arbeiten mit klaren Zielen und Ideen an neuen Sorten und führen dabei durch Kreuzung bestehender Sorten die gewünschten Merkmale zusammen. Die manuelle Bestäubung, die Blüte, das Heranreifen der Frucht und die anschließende Ernte der Samen und die Aussaat dieser, ist per se schon ein langwieriger Prozess, der mehrere Monate beansprucht. Hält man sich vor Augen, dass lediglich 1% der so gewonnenen Pflanzen tatsächlich weitergezüchtet wird, erscheint allein schon die Kreuzung und Selektion als Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Bei einer Petunie vergehen beispielsweise vier bis fünf Jahre, eh Pflanzen gefunden werden, die sich für die Nachzucht eignen.

Herstellung sauberen Ausgangsmaterials: 1 Jahr

Pflanzen sind anfällig für Pilze, Viren und Bakterien, die während der Zucht zu unerwünschten Ausfallen und verfälschten Ergebnissen führen. Damit die vorher selektierten Sämlinge optimal verwertet werden können, werden sie unter Laborbedingungen vermehrt. Dazu werden unter dem Mikroskop winzige Zellhaufen entnommen und im Reagenzglas in steriler Umgebung zu neuen Jungpflanzen herangezüchtet. Die so gewonnenen Pflanzen dienen als Ausgangsmaterial für Tests und für die weitere Zucht.

Vervielfältigung und Sortenprüfung: 1 bis 3 Jahre

Im nächsten Schritt werden die „Prototypen“ der neuen Sorten unter gärtnerischen Bedingungen im Gewächshaus kultiviert und weitergezüchtet. Bei Beet- und Balkonpflanzen erfolgt anschließend die Kultivierung im Freiland unter Bedingungen, wie sie auch bei potentiellen Kunden herrschen. Dieser Schritt dient der Prüfung der Tauglichkeit der neuen Sorten. Nur die besten Sorten schaffen tatsächlich den Schritt in die Markteinführung.

Bonitur

Hat sich eine Sorte als geeignet erwiesen, hat der Züchter die Möglichkeit, diese amtlich prüfen, registrieren und sortenrechtlich schützen zu lassen.

Markteinführung und Mutterpflanzenaufbau: 8 Monate

Nur Sorten, die die Sortenprüfung mit bravur bestanden, werden auch tatsächlich weitergezüchtet und im Mutterpflanzenaufbau verwendet. Dazu geht sauberes Pflanzenmaterial, welches vorher im Labor unter sterilen Bedingungen vermehrt wurde, in die Mutterpflanzbetriebe. Diese liegen aufgrund der Licht- und Klimaverhältnisse für gewöhnlich in den südlicheren Breiten. Aus den hochreinen „Pflanzenprototypen“ werden so genannte Mutterpflanzen kultiviert, von welchen in regelmäßigen Abständen Stecklinge geschnitten werden. Diese Stecklinge gehen an die Jungpflanzenbetriebe, welche die eigentliche Verkaufsware produzieren.

Bewurzelung und Fertigkulturen: 3 Monate

Im nächsten Schritt werden die unbewurzelten Stecklinge in den Jungpflanzenbetrieben in entsprechenden Substraten bewurzelt und anschließend an Gärtnereien und Kultivateure verschickt, die die Stecklinge bis zur Verkaufsreife weiterkultivieren.

Versteigerung und Lieferung an Gartencenter: 1 Tag

Verkaufsreif sind die meisten Pflanzen, sobald sich die ersten Blüten zeigen. Verladen auf entsprechenden Karren, werden sie so auf Großmärkten versteigert und gelangen unmittelbar danach in die Auslagen der Gartencenter, Baumärkte und Blumenläden, wo der Endkunde schließlich seine Pflanzen kaufen kann.

Wenn Ihr also eine noch so gewöhnlich erscheinende Pflanze im Gartencenter kauft, haltet Euch doch einmal bewusst vor Augen, welche Odyssee diese Sorte bereits hinter sich hat. So erscheinen auch angestaubte Pflanzen wie Petunien, Geranien o.Ä. plötzlich wieder sehr spannend.

Fakten via IPM Essen

(Bildquelle Vorschaubild: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ser_p%C3%A9p.JPG)

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7 Antworten zu “von der Kreuzung bis zum Verkauf – die Entstehung einer neuen Sorte

  1. Hey, den Zyklus musste ich für Botanik auswenidg lernen :D aber natürlich in einer abgespeckten Form. Gentechnisch gehts natürlich schneller. Aber der Beitrag ist super, nicht jeder weiß, wie das dabei abgeht und wie lange das dauern kann :o

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    • Das stimmt, es ist echt erstaunlich, wieviel Zeit vergeht, eh eine banal erscheinende Zierpflanzensorte auf den Markt kommt. Wer denkt auch schon an solch eine langwierige Prozedur, wenn man sich eine Petunie in den Einkaufswagen stellt.. ich finde solche Informationen sehr interessant. Wirklich schade, dass der Endkunde darüber nicht im Gartencenter o.Ä. informiert wird. So nebenbei als Randfakt, wäre das sicher für einige interessant zu erfahren.

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      • Der Endkunde wird über vieles nicht informiert… :( Z.B. wie die Pflanze heißt und sowas :o Aber das wäre vielleicht mal ne gute Idee. Würde vielleicht einige sogar daran hindern, die Pflanze sofort eingehen zu lassen – gibt ja andere

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        • Ja da hast Du völlig recht, die Wertschätzung der Pflanze wäre dann sicher eine andere. Aber da gibts ganz andere Dinge, mit denen der Handel den Informationsbedarf decken sollte.. die richtige Benennung einer Pflanze, wie du schon sagtest. Ich finds immer lustig, wenn im Einzelhandel z.B. Kakteen grundsätzlich als „Sukkulente / wenig gießen / viel Licht“ beschrieben werden. Oder „Zimmerpflanze“ ist auch eine sehr verbreitete Art, wenn man den Etiketten trauen kann :D

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