die täglichen Gedanken: Wie(so) finde ich (k)einen Job?

Ich weiß doch, dass ich früher einige Berufskollegen als Follower hatte. Vielleicht sind diese noch da oder andere Gärtner lesen diesen Text.

Eine plakative Frage an Gärtner mit Einstellungsbefugnissen, sprich Geschäftsführer etc: Ist ein Schwerbehindertenausweis tatsächlich so ein großes Hindernis bei Bewerbungen als Geselle, oder bilde ich mir das einfach nur ein?

Konkreter: Ist ein Schwerbehindertenausweis ein Ausschlusskriterium, selbst wenn die Behinderung keinen Einfluss auf die körperliche Leistungsfähigkeit hat, der Bewerber Bestnoten, überdurchschnittliche Intelligenz und Auffassungsgabe sowie beispiellosen Enthusiasmus für Pflanzen vorweisen kann? Gut, die Frage ist eher rhetorischer Natur. Natürlich wird niemand zugeben, dass er Bewerber mit Schwerbehindertenausweis kategorisch ignoriert. Dennoch spiegelt exakt dies mein akutes Problem wider.

Ich verzweifle langsam an dieser Branche, in der ich 2017 mein Hobby zum Beruf machte und als Jahrgangsbester Geselle im Zierpflanzenbau sogar in einem Zeitungsartikel erwähnt wurde. Nein, ich verzweifle nicht nur, ich bin enttäuscht und traurig.

Nach der glatten 1,0 in der Zwischenprüfung wurde mir damals die Verkürzung der Ausbildung um ein komplettes Jahr angeboten. Das Angebot konnte ich nicht ausschlagen, da ich so zeitnah das Abi im zweiten Bildungsweg direkt im Anschluss der Ausbildung nachholen konnte. Selbstverständlich ebenfalls als Jahrgangsbester.

Danach studierte ich Gartenbau/Pflanzenbiologie in Osnabrück. Leider aufgrund unerwarteter Umstände ohne Abschluss. Da ich für diesen Lebenstraum extra das Abi nachholte, wollte ich diesen Traum auch nicht vorschnell aufgeben und blieb daher – so sehe ich das nun- leider viel zu lange eingeschrieben. Bis zum letzten September war ich somit eingeschriebener Student, schreibe aber bereits seit März 2023 intensiv Bewerbungen, da mir vor ziemlich genau einem Jahr die Erkenntnis kam, dass das Studium für mich unter den gegebenen Umständen keinen Sinn mehr machte und der Umzug in die Heimat und eine Anstellung im erlernten Beruf die einzige Option sein sollte, um wieder festen Boden unter den Füßen zu bekommen.

Mittlerweile bin ich in Sachen Bewerbungen im dreistelligen Bereich angelangt und hatte lediglich Reaktionen von drei Institutionen/Betrieben, von denen unterm Strich alles Absagen waren. (Gut, einen Termin konnte ich aufgrund akuter Covid-Erkrankung nicht wahrnehmen und eine Absage folgte sogar nach bereits erteilter Zusage – aber DAS ist ein anderes Thema).

Bei allen anderen Bewerbungen herrscht komplette Ignoranz. Selbst auf Nachfrage keinerlei Reaktion. Pure Ignoranz. Desinteresse. Was ist nur mit dieser Branche los? Liegt es an mir oder ist da der Wurm drin? Ist das heute normal, Bewerber selbst auf Nachfragen eiskalt zu ignorieren? Ich dachte, es herrscht Fachkräftemangel. Witzigerweise hatte ein Betrieb, bei dem ich mich bewarb, nach meiner – ebenfalls ignorierten – Nachfrage die Stellenanzeige um den Zusatz, dass „Händeringend nach Fachkräften gesucht werde“ ergänzt. Andere Stellenanzeigen waren selbst Monate nach meiner Bewerbung noch online. Zynisch, oder?

Ich stehe mittlerweile kurz vor der Verzweiflung. Ich will endlich wieder in meinem Beruf arbeiten – nein, ich muss! Abgesehen davon, dass ich diese Arbeitslosigkeit als Verschwendung wertvollen Potentials sehe, bin ich wirtschaftlich nun so weit, dass ich staatliche Hilfe beantragen muss. Was NIEMALS meine Absicht war und ein absolut schrecklicher Schritt ist, den ich um jeden Preis vermeiden wollte. Dafür schäme ich mich in Grund und Boden..

Aufgrund meines Asperger-Autismus (ja, irgendwoher muss mein Schwerbehindertenausweis ja kommen) bin ich leider regional, wie auch auf meinen Fachbereich (Zierpflanzenbau: Produktion oder bot. Gärten, maximal noch Staudengärtnerei) beschränkt und kann keine Stellen in anderen Fachbereichen, bsplw. GaLaBau etc. annehmen oder überregional umziehen, wie man mir schon eindringlich bei der Arbeitsagentur riet.

Theoretisch gibt es genug Betriebe und genug Stellen, aber eben keinerlei Reaktion auf meine Bewerbungen..

Ich wohne im Ruhrgebiet und habe meinen Suchkreis mittlerweile auf 50km erweitert, obwohl dies eigentlich nicht nötig wäre, da es hier unzählige Betriebe gibt. Ob ausgeschriebene Stellen oder Initiativbewerbungen, eines ist immer gleich:

Reaktionen gibt es keine.

Hat jemand eine Idee, wie ich einen Job finde? Ich habe in Sachen Bewerbungen nahezu alles durch. Überlegte schon, einen Aufruf zu starten und mein erstes Monatsgehalt demjenigen zu überlassen, der mir eine Festanstellung vermittelt, aber das wäre die ultima ratio. Die Landwirtschaftskammer zeigt sich nicht sonderlich interessiert, kann nicht vermitteln und verweist an den IFD, der nur für festangestellte Arbeitnehmer und nicht für Bewerber zuständig ist.

Ich will um jeden Preis in der Branche bleiben, daher ist ein weiteres Studium – was mir durchaus schon in den Sinn kam, um der Arbeitslosigkeit zu entfliehen (Als Student bekommt man wenigstens Stellen als Werkstudent) – die absolut letzte Lösung, wenn es sich bewahrheiten sollte, dass meine geliebte Branche tatsächlich keinen Platz mehr für mich haben sollte.

Umziehen ist mir leider nicht möglich. Ich bin erst letztes Jahr aus Niedersachsen zurück in die Heimat gezogen, um in meiner Heimat (Ruhrgebiet) wieder Fuß zu fassen. Mit meiner Kondition wäre ein weiterer überregionaler Umzug nicht zielführend. Ich brauche meinen Safespace, um dauerhaft zu funktionieren.

Ich bin für jeden Rat dankbar!

Warum findet ein hochintelligenter, hochmotivierter Bewerber, der sich seit seiner Kindheit mit Pflanzen beschäftigt, dessen Passion und Identifikation der Gärtnerberuf ist, der sein Hobby zum Beruf machte, der seine Ausbildung zum Zierpflanzengärtner durch eine Bestnote von 1,0 in der Zwischenprüfung von 3 auf 2 Jahre verkürzen konnte, der diese Ausbildung als Jahrgangsbester abschloss, der das Abi im zweiten Bildungsweg als Jahrgangsbester absolvierte, der so hart dafür kämpfte, sein Hobby zum Beruf zu machen und sogar zu studieren, keinen Job? Dafür möchte ich wirklich mal eine plausible Antwort.. Was hält Betriebe ab, auf meine Bewerbungen zu reagieren? Wodurch bin ich so unattraktiv für Betriebe?

2 Antworten zu “die täglichen Gedanken: Wie(so) finde ich (k)einen Job?

  1. Du schreibst sehr anschaulich und gut formulierend. Ich kenne dich und deine Behinderung nicht, aber ich glaube, dass ein Asperger-Syndrom für eine Anstellung praktisch ein Ausschlusskriterium sein kann und hier offenbar ist. Wenn Du so viele Absagen erhalten hast, bei offensichtlichem Bedarf an Arbeitskräften, dann könnte etwas daran sein, dass du wegen der Behinderung für eine Anstellung nicht geeignet bist, oder nicht? Sei mal ehrlich mit dir selbst. Asperger behindert dich nicht bei deiner Arbeit, aber in der Kommunikation mit Kollegen etc., und das ist nicht gut.

    Du wirkst mit deiner Geschichte wie der Geisterfahrer, der sich nach einer halben Stunde Fahrt beschwert, dass heute viel zu viele Geisterfahrer unterwegs sind. Entschuldige die offenen Worte, aber dein Asperger scheint zu verhindern, dass du die Wahrheit erkennst.

    Ich rate dir zur Selbständigkeit: Ich sehe, dass Kakteenversender gute Profite machen. Denk mal darüber nach, Kakteen zu züchten und zu vertreiben. Mit einem online-Vertrieb kennst du dich sicher schnell aus. Denk mal drüber nach! Nach einiger Zeit kannst du sicher das Licht am Ende des Tunnels sehen. Dabei wird dir dein Asperger nicht im Wege stehen, sondern sogar helfen, weil du gründlich arbeiten wirst, und auf persönliche Kommunikation nicht angewiesen bist.

    Aber: Nix für ungut! Viel Glück weiterhin.

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    • Du bist nicht zufällig Geschäftsführer einer Firma, bei der ich mich bewarb oder wieso dieser zwanghafte Versuch, mir einreden zu wollen, dass ich untauglich sei, ohne mich zu kennen?! 😉

      Ironischerweise steht dein Kommentar exakt für die Denkweise, die autistischen Menschen die Teilhabe am Arbeitsleben erschwert. Altbackene, festgefahrene Stereotype von Menschen, die exakt wieviele Asperger-Autisten persönlich kennen? Eine rein rhetorische Frage. Ich denke, du wirst merken, worauf ich hinaus will: Woher willst du wissen, wo meine individuellen Probleme liegen? Du schriebst ja selber, dass du meine Behinderung nicht kennst. Weshalb also all das – mit Verlaub – überhebliche und sachfremde Gefasel?

      Ich bin Autist, deshalb muss ich Probleme in der Kommunikation haben? Da hast du ganz tief in der Klischeekiste gegraben.. Ja, ich habe meine Probleme. Probleme, die Nichtautisten eben nicht haben und kennen, aber was denkst du, was für ein Mensch dir hier antwortet? Jemand, der komplett in seiner eigenen Welt lebt, in der Ecke sitzt, lethargisch herumschaukelt, nicht kommuniziert, empathielos seine Egonummer abzieht, ohne Rücksicht auf Verluste, ein Sheldon Cooper oder Rainman, der mit Menschen nicht viel anfangen kann und lieber mit seinen Gedanken beschäftigt ist, jemand, der nur in seiner Blase funktioniert?

      Die meisten Asperger-Autisten werden von Außenstehenden nichtmal als solche wahrgenommen, weil sie eben nicht den populärkulturellen Klischees entsprechen, mit denen Autismus häufig assoziiert wird. „Wie, du bist Autist? Das glaube ich nicht!“ – ein Satz, der zum Alltag gehört, wenn die autistischen Probleme jene sind, die man abends nach der Arbeit nachhause nimmt und privat für sich im stillen Kämmerlein zu verarbeiten versucht.

      Ich bin vieles, aber sicherlich kein Geisterfahrer, der sich unterwegs über die anderen Geisterfahrer beschwert.. Aber ja, wer bin ich schon, wenn mein Asperger mir die Fähigkeit zur Reflexion raubt und mich völlig verblendet.

      Wie ich eingangs schon schrieb: Es ist genau dein Denken, das zum Problem für Menschen wie mich wird. Vorurteile und Vorverurteilungen sind leider in vielen Köpfen omnipräsent – leider auch in Köpfen von Menschen, denen die Macht zugeteilt ist, Entscheidungen zu treffen. Warum nicht einfach talentierten Menschen eine Chance geben, sich selbst überzeugen und von festgefahrenen Stereotypen trennen? Wäre ja zu einfach..

      Glücklicherweise fand ich vor einigen Monaten genau diesen Betrieb, dem es egal war, dass der Bewerber ein Autist mit Schwerbehindertenausweis ist, weil er für sein Thema brennt, ein ausgewiesener Fachmann ist und sich offenbar gegenüber seiner Mitbewerber souverän durchsetzte und bestens für die Stelle geeignet ist – So sehr, dass er bald den Betriebsleiter vertreten und seinen Meister machen wird.

      Ziemlich stark für einen fehlgeleiteten Geisterfahrer, einen unfähigen Autisten, der in seiner Traumwelt lebt und nach Dingen strebt, die außerhalb seiner Reichweite liegen. Achja, mit der Selbstständigkeit versuchte ich es mal – Allerdings nicht als Kakteenversender (lol!). 🙂

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